Hamed Abboud hat uns freundlicherweise einige Gedichte zur Verfügung gestellt, die wir gerne hier vorstellen:

Wie kann es sein, dass ich
in der Küche Abwäscher bin,
in der Schweiz als Autor auftrete,
in Österreich als Flüchtling herumgehe.
Wie kann das sein, dass ich
in jedem Ort eine unterschiedliche Bezeichnung bekomme.

Wenn ich mich ins Bett lege,
welches von meinem Ich schläft und welches bleibt wach.
Sind es Träume, die ich im Schlaf sehe
oder flüstern mir meine Ichs Geschichten, um sich die Zeit zu vertreiben.

Entstanden meine Ichs, weil ich meine Wurzeln hinter mir ließ?
Ist das der Grund, dass ich kein Baum mehr bin?
Bin ich ein entwurzelter Baum?

***

In der Schweiz
umarmte mich einmal eine Österreicherin.
Sie sagte mir, ich sei einer ihrer Leute.
Vielleicht, weil ich in Wien wohne,
vielleicht entdeckte sie
ein paar versteckte österreichische Wörter in meinem Bart.

Seitdem wache ich als ein Schmetterling auf,
schön.
Ich weiß, dass Schönheit eine schwierige
Entbindung erfordert.

***

Habe ich die Grenze überquert
oder hat sie mich überrollt,
als ich versuchte, meine Beine standhaft im Boden zu verankern.

***

Nicht schlecht, meine bisherigen Errungenschaften:
Streit an sonnigen Tagen,
Nacht-Jazz in der Früh,
kalter Kaffee in einer heißen Keramiktasse.
Stilsicher das Beste vom Schlechtesten zu wählen.
Gute Überlebensinstinkte für ein lausiges Leben,
ein gekonnter Sprung von einem sinkenden Schiff
und große Hoffnung,
dass der kommende Morgen eine Strafe bekommt und sich verspätet.

***

© Hamed Abboud



Eine kurze Leseempfehlung zu Hamed Abbouds Buch In meinem Bart versteckte Geschichten finden Sie hier.